Das europäische Recht auf Reparatur - Warum wir es dringend brauchen und wo es feststeckt

25. Oktober 2022

Wenn das Handy, der Staubsauger oder die Waschmaschine kaputt sind, ist es im ersten Moment vor allem ärgerlich - meistens passiert sowas, wenn man es am wenigsten gebrauchen kann. Im zweiten Moment ist es vor allem frustrierend, wenn man merkt, dass sich die meisten Produkte nicht einfach oder überhaupt nicht reparieren lassen und man ein neues Gerät kaufen muss.

Genau hier soll das Recht auf Reparatur ansetzen, für das ich im Europaparlament streite und das ich neben dem Lieferkettengesetz in dieser Legislaturperiode durchsetzen will: Produkte sollen so gestaltet werden, dass sie länger halten, einfach und sicher repariert werden können und Ersatzteile leicht zugänglich und ausbaubar sind. Wenn man kaputte Produkte einfach reparieren lassen kann, spart man damit Geld, Energie und Ressourcen.

Schon lange warten wir hier in der EU auf den Gesetzesvorschlag der EU-Kommission. Eigentlich war er für den 30. November angekündigt - und wurde überraschend doch noch einmal verschoben.

Raus aus der Wegwerfgesellschaft - rein in die Kreislaufwirtschaft
Das Recht auf Reparatur ist ein wichtiger Baustein im Übergang zur Kreislaufwirtschaft und damit schon lange eins meiner Herzensthemen.
Produzieren, verbrauchen und ab in den Müll – die Wirtschaftsweise unserer Wegwerfgesellschaft führt zur Ausbeutung von Ressourcen jenseits der Grenzen unseres Planeten. Wenn wir nichts daran ändern, brauchen wir bis 2050 drei Erden, um unseren Rohstoffhunger zu stillen.
Diese lineare Wirtschaft heizt die Klimakrise an, führt zu Umweltzerstörungen und Menschenrechtsverbrechen im Rohstoffabbau, macht unsere Lieferketten krisenanfällig und unsere Wirtschaft und Unternehmen abhängig von Rohstoff-Importen. Gleichzeitig ist Elektroschrott der am schnellsten wachsende Müllberg der Welt.
Klar ist für mich: Unsere Wirtschaftsweise muss sich ändern - von der linearen Wirtschaft, hin zu einer Kreislaufwirtschaft.

Im Rahmen des EU Green Deal hat die Europäische Kommission im März 2020 ihren Aktionsplan Kreislaufwirtschaft vorgestellt. Der europäische Binnenmarkt funktioniert dabei als Hebel, um das Ziel der Klimaneutralität in Europa bis 2050 zu erreichen. Wirtschaften im Kreislauf bedeutet, Materialien und Rohstoffe in geschlossenen Stoffströmen zu halten: Produkte nachhaltig designen, produzieren, länger nutzen, wiederverwerten, reparieren und schließlich recyceln. Die Europäische Kommission hat neben Vorschlägen für eine nachhaltige Produktpolitik und eine grüne Verbraucherpolitik auch das Recht auf Reparatur als Kern dieses Aktionsplans Kreislaufwirtschaft verankert.

Zahlen und Fakten zur Reparatur
Leider ist der Weg noch weit- reparieren gehört in der EU noch lange nicht zur Norm. Dabei würden 77 Prozent der Verbraucher*innen ihre kaputte Ware lieber reparieren als neu kaufen! Doch nur 22 Prozent der kaputten Ware wird tatsächlich repariert. Grund sind mangelnde Reparierbarkeit oder mangelnder Reparaturservice, der oft nur über Vertragswerkstätten möglich ist. Etwa ein Drittel der Verbraucher entscheidet sich aufgrund zu hoher Reparaturkosten gegen eine Reparatur. In Deutschland entstehen so jährlich über 430.000 Tonnen Elektroschrott durch defekte Elektrogeräte.

Mit dem Recht auf Reparatur Klimaschutz und Verbraucher*inneninteressen in Einklang bringen
Ich habe als Vorsitzende des Binnenmarktausschuss im März 2022 ganz konkret an den Forderungen des Europäischen Parlaments für das Recht auf Reparatur mitgearbeitet. Ganz besonders wichtig war für mich, dass es Verbaucher*innenfreundlich ist: Denn nur so wird am Ende auch wirklich mehr repariert statt weggeworfen.
Hierbei war für mich nicht nur die Verfügbarkeit von Ersatzteilen und Anleitungen, sondern auch der Preis der Reparatur, Fragen der Gewährleistung und der Garantie besonders wichtig.
Außerdem sollen Verbraucher*innen mehr Informationen über die Reparierbarkeit eines Produktes erhalten, zum Beispiel in Form eines RepairScores: Zur geschätzten Lebensdauer, zu Ersatzteilen, zu Reparaturdiensten und der Dauer der Verfügbarkeit von Software-Updates.
Darüber hinaus fordern wir als Grüne, dass der Zugang von z.B. Ersatzteilen für alle Akteur*innen des Reparatursektors verfügbar sind - also auch für unabhängige Werkstätten und private Tüftler*innen. Besonders wichtig ist uns außerdem, dass der Preis für Ersatzteile im Verhältnis zum Neukaufpreis steht, reparieren muss die nachhaltige und auch günstigere Alternative werden!

Wir brauchen das europäisches Recht auf Reparatur - doch es steckt fest
Für den 30. November 2022 hatte die Europäische Kommission eine Gesetzesinitiative zum Recht auf Reparatur angekündigt. Doch daraus wird erstmal nichts, denn völlig unerwartet ist die Gesetzesinitiative jetzt verschoben worden. Das ist ganz und gar nicht in Ordnung und bremst den Übergang zur Kreislaufwirtschaft massiv.
Gemeinsam mit dem Europaabgeordneten der SPD René Repasi habe ich daher einen Brief an die Europäische Kommission geschrieben und Antworten zur Verschiebung gefordert. Den Brief und unsere Forderungen könnt ihr hier nachlesen. https://twitter.com/repasi/status/1582999118347087872

Wandel von unten
Unterwegs in meinem Wahlkreis Sachsen besuche ich häufig Repair-Cafes, Werkstätten, Tüftler*innen und habe schon selbst die ein oder andere Veranstaltung zum Thema durchgeführt. Das Gesetz zum Recht auf Reparatur muss und wird kommen - aber es ist wundervoll zu sehen, dass so viele engagierte Menschen sich bereits jetzt auf lokaler Ebene dafür einsetzen.
Falls ihr vor Ort selbst Veranstaltungen zum Recht auf Reparatur organisiert und euch weiter informieren wollt, bestellt gern hier[6] meine kostenlose Broschüre „Ein Recht auf Reparatur für alle“.
Nur gemeinsam gestalten wir den Wandel in unserem Alltag. Wir haben bereits ein beachtliches Stück auf dem Weg zum europäischen Recht auf Reparatur zurückgelegt, doch wir brauchen weiterhin viel Ausdauer, um bei einer ganzheitlichen Kreislaufwirtschaft anzukommen.
Gern halte ich euch weiterhin auf dem Laufenden: Meldet euch bei meinem Newsletter an oder klickt euch auf meinen Social Media Kanälen durch!

Herzliche Grüße
Anna Cavazzini
(Mitglied des Europäischen Parlaments)

Weiterführende Literatur:

  1. Aktionsplan Kreislaufwirtschaft der Europäischen Kommission, März 2020: eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/
  2. Bericht des Europäischen Parlaments zum Aktionsplan Kreislaufwirtschaft, Februar 2021: www.europarl.europa.eu/doceo/document/A-9-2021-0008_DE.html
  3. Entschließungsantrag zum Recht auf Reparatur des Binnenmarktausschusses des Europäischen Parlaments, März 2022: www.europarl.europa.eu/doceo/document/B-9-2022-0175_EN.html
  4. Ecodesign for Sustainable Products Regulation, Kommissionsvorschlag März 2022: www.europarl.europa.eu/RegData/docs_autres_institutions/commission_europeenne/com/2022/0142/COM_COM(2022)0142_EN.pdf
  5. Meine Broschüre „Ein Recht auf Reparatur für alle!“:  www.annacavazzini.eu/broschuere-ein-recht-auf-reparatur-fuer-alle/
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