Klimaneutrales Heizen

22. November 2022

Der jährlich emittierte CO2-Austoß des Gebäudesektors ist Zeugnis einer verfehlten Klima- und Energiepolitik der letzten Jahrzehnte. Zum zweiten Mal in Folge wurde im Jahr 2021 das im Bundes-Klimaschutzgesetz festgelegte Sektorziel verfehlt. Ein Drittel des gesamten deutschen Endenergieverbrauchs verantwortet der Gebäudebereich – und der Trend zu immer höheren Verbräuchen hält an.
Mit billigen Gasimporten aus Russland konnten die Augen lange vor der Mammutaufgabe bei Gebäuden verschlossen und die Bewältigung der Klimakrise hinausgezögert werden. Der aktuellen fossilen Energiekrise geschuldet müssen wir die Versäumnisse mit größter Kraftanstrengung beheben und die Energiewende im Wärmebereich im Akkordtempo nachholen. Das stellt Menschen und Politik vor enorme Herausforderungen, bietet aber zunehmend auch die Chance, endlich in den Handlungsmodus zu kommen.

Besondere Herausforderung: der Gebäudebestand

Zwei Drittel aller Gebäude in Deutschland sind vor 1977 errichtet worden und damit noch vor der ersten Wärmeschutzverordnung. Die meisten dieser Gebäude sind schlecht gedämmt und verbrauchen bis zu fünf Mal mehr Energie als Neubauten. Bei uns in Sachsen haben wir im Bundesvergleich einen überdurchschnittlich hohen Altbaubestand: Über die Hälfte aller Wohngebäude wurden vor 1949 erbaut. Hier stehen wir vor einer ganz eigenen Dimension an Herausforderungen.
Die meisten Bestandsgebäude werden zudem noch mit fossilen Heizungen versorgt. Laut aktuellem dena-Gebäudereport sind deutschlandweit in Wohngebäuden zu 75 Prozent Gas- und Ölheizungen verbaut. Während für den Neubau in den letzten zehn Jahren immer mehr Wärmepumpen genutzt wurden, dominiert beim Heizungsaustausch im Bestand nach wie vor der Anteil fossiler Heizungsanlagen.
Besonders in der aktuellen Lage einer fossilen Energiekrise wird der prekäre Zustand unserer Gebäude zur sozialen Frage. Denn unter den explodierenden Heizkosten besonders zu leiden haben Menschen mit geringem Einkommen. Um mehr Klimaschutz und soziale Gerechtigkeit im Gebäudebereich zu erreichen, müssen wir die Energieeffizienz unserer Gebäude steigern, mehr Energie einsparen und die Wärmeversorgung auf erneuerbare Energien umstellen.

Ordnungspolitischen Rahmen endlich vorgeben

Die angespannte Situation sollten wir aber auch als eine klare Chance für die Wärmewende sehen. Viele der bestehenden fossilen Heizungen sind veraltet – das Durchschnittsalter von Heizungsanlagen in Deutschland beträgt 17 Jahre – und müssen  voraussichtlich in den kommenden Jahren erneuert werden. Um bei bevorstehenden Heizungsumrüstungen einen Umstieg auf Erneuerbare zu erleichtern, brauchen wir auch eine ordnungspolitische Rahmensetzung.
Ich setze mich auf Bundesebene daher für das Ziel ein, ab 2024 jede neu eingebaute Heizung zu 65 Prozent mit erneuerbaren Energien zu betreiben. Die Zielvorgabe wird im kommenden Jahr gesetzlich verankert und soll sowohl für den Neubau als auch für Bestandsgebäude gelten, und Wohn- und Nichtwohngebäude gleichermaßen in die Pflicht nehmen. Eine tragende Rolle soll dabei dem Anschluss an Wärmenetze und dem Einsatz von Wärmepumpen zukommen. Die Nachfrage bei den Menschen ist da. Für 2022 werden bereits 230.000 installierte Wärmepumpen prognostiziert. Die Politik ist jetzt mehr denn je gefordert, diese Nachfrage mit weiteren Maßnahmen zu stützen: der Fachkräftemangel muss gezielt angegangen werden, für eine Beschleunigung der Wärmepumpenproduktion müssen Prozesse automatisiert werden und der Bedarf an Wärmepumpen auch für Altbauten und Mehrfamilienhäuser ist groß.
Klar ist auch, dass wir aus den genannten Gründen mit gleichem Elan die energetische Sanierung im Bestand voranbringen müssen. Künftig sollten Fördermittel deshalb vor allem in Gebäude im schlechtesten energetischen Zustand fließen und damit dorthin, wo sie klimapolitisch am meisten bewirken und die Fördereffizienz am höchsten ist.
Eine wirksame Umstrukturierung des Gebäudesektors erfordert aber vor allem auch eine großflächige Dekarbonisierung unserer Wärmenetze. Dieses Ziel schaffen wir nur mit einer flächendeckenden und verbindlichen Rahmensetzung in Form eines Bundesgesetzes zur kommunalen Wärmeplanung. Solche Wärmepläne geben eine klare Strategie für die notwendige Transformation vor und schaffen Planungs- sowie Investitionssicherheit. Wichtig dabei ist, dass wir den Kommunen genug Raum für passgenaue, auf die Bedürfnisse und Möglichkeiten vor Ort abgestimmte Planungen geben.

Bürger:innen zum eigenen Handeln befähigen

Die Energie- und Wärmewende können nur gelingen, wenn wir möglichst vielen Bürger:innen die Möglichkeit bieten, eigene Projekte umzusetzen – wie etwa PV-Anlagen auf ihren Dächern zu installieren. Die unionsgeführten Bundesregierungen der letzten Jahre haben viele Steine in den Weg gelegt, die es nun entschlossen zu beseitigen gilt.
Die Bedingungen für den Bau von Aufdach-PV-Anlagen haben wir inzwischen attraktiver gestaltet. So kann auch der Wärmepumpenstrom vor Ort besser grün erzeugt werden. Die Vergütungssätze haben wir wieder erhöht. Maßgebliche steuerliche Erleichterungen folgen mit dem Jahressteuergesetz. Zurzeit profitieren insbesondere Besitzer:innen von Eigenheimen vom günstigen PV-Strom. Als nächstes Ziel werden wir es Mieter:innen in Geschosswohnungsbauten ermöglichen, ebenfalls unkompliziert den PV-Strom von ihren Dächern gemeinschaftlich zu nutzen.
Zur Erzeugung erneuerbaren Stroms schließen sich Bürger:innen immer häufiger auch in Energiegenossenschaften zusammen. Für diese ist gemäß der diesjährigen Novellierung des Erneuerbare-Energien-Gesetzes auch für größere Vorhaben die Ausschreibungspflicht entfallen. Im nächsten Schritt arbeiten wir an Verbesserungen für das sog. Energy Sharing. Wir wollen es damit ermöglichen, auch Strom aus genossenschaftlich gebauten Windkraftanlagen zu Hause zu nutzen.

Ausblick

Ich bin guter Dinge, dass uns die Transformation im Wärmebereich gelingt, auch wenn dies einen langen Atem braucht. Der Gebäudebereich ist ein für Veränderungen träger Sektor – aber das Klima wartet nicht, bis wir bereit sind. Umso mehr freue ich mich an der Wärmewende mitwirken zu können und meinen Anteil beizutragen, dass wir auch hier endlich mehr Tempo aufnehmen. In den letzten Monaten konnten wir, unter schwierigen Bedingungen, schon Vieles anschieben. Wichtig ist mir dabei immer, dass wir die Betroffenen bei der Umstellung mitnehmen, seien es die Mietenden, die Eigentümer:innen oder Unternehmen.

Von Bernhard Herrmann, sächsischer Bundestagsabgeordneter und Mitglied im Ausschuss für Klimaschutz und Energie

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