Im deutsch-tschechischen Grenzgebiet lagert bei Cínovec (tschechische Seite) und Zinnwald (deutsche Seite) ein Lithiumvorkommen, das nach den Angaben von Bergwerksunternehmen zu den größten Lagerstätten Europas zählen soll. Lithium gilt derzeit noch als Schlüsselelement für die Energiewende. Europas Industrie ist auf den Import dieses Rohstoffs angewiesen. Die europäische Union und die Bundesregierung wollen die heimische Gewinnung fördern.
Die sächsische Minderheitskoalition aus CDU und SPD hat in ihrem Koalitionsvertrag angekündigt, künftige Bergbauvorhaben in Sachsen noch schneller und einfacher zu bewilligen und bereitet die bergrechtliche Genehmigung eines Lithium-Bergwerks in Zinnwald vor, während parallel dazu und unabhängig davon auf der anderen Seite der Grenze das Unternehmen Geomet s.r.o. Bergbauplanungen in noch größerer Dimension am selben Erzkörper vornimmt.
Sachsens historischer Wohlstand gründet sich auch auf den Bergbau. Die Sicherung unserer Rohstoffunabhängigkeit durch heimischen Abbau ist zweifellos von großer Bedeutung. Allerdings stellen sich bei diesem Vorhaben jenseits ökologischer Belange auch hinsichtlich der wirtschaftlichen, fachlichen und ethischen Grundlage gravierende Fragen, denn der vorgefundene Gesteinskörper gilt mit einem Lithiumgehalt von 0,2 bis 0,25 % als erzarm.
Mit „Zinnwald Lithium“ wird eine international operierende Unternehmensgruppe in Sachsen tätig. Es steht zu befürchten, dass die Gewinne der Ausbeutung abfließen und nicht der Region zugutekommen werden. Ebenso wenig kann sichergestellt werden, dass das geförderte Lithium in Europa verarbeitet wird.
Große Teile der umliegenden Region stehen unter Naturschutz und verfügen über eine unvergleichliche Tier- und Pflanzenwelt. Die Orchideenwiesen im Bielatal und Zugvögelschwärme auf der Liebenauer Höhe mit Arten, die nur noch hier dokumentiert werden, lassen immer wieder staunen. Sonnentau, Knabenkraut, Siebenstern und Sumpfveilchen sowie verschiedene Gräser sind hier noch oder wieder zu finden. Auf dem Erzgebirgskamm bei Zinnwald und Cínovec befindet sich ein Hochmoorkomplex von europaweiter Bedeutung.
Nach 1989 dauerte es viele Jahre, bis sich die Gegend von den Umweltfreveln des SED-Regimes erholt hatte. Es bedurfte enormer Anstrengungen, die Bergwiesen zu renaturieren und das ökologische Gleichgewicht zu stabilisieren. Der Bau der Autobahn A17 Richtung Prag Ende der 1990er Jahre warf die Gegend erneut zurück, weil wichtiger Lebensraum vieler Arten durch die neue Verkehrsader zerschnitten wurde. Auch das Jahrhunderthochwasser 2002 hinterließ in den Tälern der Müglitz und der Weißeritz seine Spuren.
Nun soll das Osterzgebirge abermals für Bergbauunternehmungen devastiert werden. Erneuter Bergbau darf hier nur unter höchstmöglichen ökologischen Standards und der unbedingten Einhaltung von Höchstbelastungsgrenzen der Region geplant und umgesetzt werden. Insbesondere darf nur so viel Wasser der Landschaft entnommen werden, wie ohne Beeinträchtigungen der zunehmend dürregeplagten Natur und der von den begrenzten Trinkwasserressourcen abhängigen Bevölkerung möglich ist. Dies erfordert eine strikte Höchstgrenze für den Umfang des Bergbaus, was bergrechtlich jedoch nicht vorgesehen ist.
Spätestens ab 2030 sollen in Zinnwald jährlich bis zu 3 Millionen Tonnen Gestein auf deutscher Seite gefördert werden. 30 bis 40 Prozent der Sande, die nach der Abscheidung des Lithiums übrigbleiben, würden auf eine Spülkippe (Abfalllager für Aufbereitungsrückstände, welche unter Wasserzusatz fließfähig gemacht werden und durch Rohrleitungen vom Anfallort auf den Endlagerort gepumpt werden) bei Bärenstein (zu Altenberg) oder auf einer Halde (Endlager für bergbauliche Massen, welche nicht wirtschaftlich nutzbar sind) bei Liebenau im Quellgebiet von Seidewitz und Trebnitz (derzeitige Vorzugsvariante) abgelagert werden. Hinzu kommen jährlich bis zu 3,2 Millionen Tonnen Gestein auf tschechischer Seite, die das Unternehmen Geomet s.r.o. heben soll. Der geplante Lithiumabbau stellt somit selbst Fördermengen ehemaliger Bergbaubetriebe wie „Zinnerz Altenberg“ oder „Wismut“ in den Schatten.
Im Osterzgebirge sind die Folgen der rücksichtslosen Ausbeutung der Bodenschätze in der DDR-Zeit weiterhin präsent. Damalige Bergleute kämpfen noch heute um eine Entschädigung für ihre gesundheitlichen Beeinträchtigungen.
Die Region Altenberg – Geising – Zinnwald hat sich im Zuge des Klimawandels von der noch bestehenden Wintersporttradition hin zu einem beliebten Sommerziel entwickelt, das zudem per ÖPNV leicht erreichbar ist und künftig als Sommerfrische prosperieren wird. Einige Gemeinden sind als sächsische Kur- und Erholungsorte anerkannt. Der geplante Lithiumabbau würde das touristische Aus für die Gegend bedeuten, die auch als Naherholungsgebiet für den Großraum Dresden fungiert.
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Sachsen fordern:
Die Erhaltung unserer Lebensgrundlagen muss endlich über wirtschaftlichen Aktivitäten stehen und sich mit den langfristigen Folgen der Zerstörung unseres Planeten messen.
Der Freistaat Sachsen muss bei diesem Bergbauvorhaben seine übergeordnete Kontrollfunktion im Natur- und Umweltschutz in besonderer Weise wahrnehmen und gleichwohl die gesellschaftlich relevanten Aufgaben der Ressourcensicherung sowie der Rohstoffverfügbarkeit für den europäischen Markt absichern. Die Bereitstellung der notwendigen Infrastruktur vor Ort muss gewährleistet sein.
Für das Genehmigungsverfahren erwarten wir eine klare Trennung zwischen Bergrecht und naturschutzfachlichen Belangen und fordern unabhängige Expertise ein. Um dies sicherzustellen, dürfen Gutachtende und Bergbauunternehmen nicht wirtschaftlich miteinander verflochten sein.
Wir fordern die konsequente Anwendung der „Konvention über die Umweltverträglichkeitsprüfung im grenzüberschreitenden Rahmen“ (Espoo-Übereinkommen) im Zuge des geplanten Lithium-Bergbauprojekts.
Wir unterstützen die Erforschung, Anwendung und Etablierung eines deutschen Bergbaus-Standards und setzen uns für minimalinvasive, ökologieschützende Technologien ein. Dazu gehören auch Ausschlusskriterien, unter welchen Bedingungen Bergbau nicht genehmigungsfähig ist. Darüber hinaus ist die Kaskadennutzung vorhandener Halden in Betracht zu ziehen.
Seitens der Bergbauunternehmen muss es klare und verlässliche Aussagen zu den Themen Flächen-, Energie- und Wasserbedarf, den zu erwartenden ökologischen Beeinträchtigungen sowie den Umgang mit den Bergbaufolgeschäden geben. Wir erwarten verbindliche Aussagen, welche Vorteile für die von der Unternehmung betroffenen Anwohnenden in Aussicht gestellt werden.
Wir fordern politisches Engagement für die Einführung einer funktionierenden Kreislaufwirtschaft statt der Förderung des Raubbaus an der Natur. Das Recycling der in technischen Geräten verbauten Materialien vermag einen wesentlichen Beitrag zur Gewinnung von Rohstoffen zu leisten.
Als BÜNDNISGRÜNER Landesverband im Herzen Europas setzen wir uns für den gesamten Naturraum Osterzgebirge/Východní Krušné Hory ein. Wir stehen an der Seite der Menschen in der deutsch-tschechischen Region und unterstützen ihre Forderungen nach Information, Transparenz und Bürgerbeteiligung.
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sehen die Zukunft der UNESCO-Weltkulturerbestätte Erzgebirge/Krušně hory im naturnahen Tourismus in einer einzigartigen montanen Kulturlandschaft ohne Umweltzerstörung.